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Trauergedichte

Leider noch sehr wenig aber ich sammel wie immer mehr dazu unter >Hilfe<

 

Trauer          
Ich wandle einsam,
Mein Weg ist lang;
Zum Himmel schau ich
Hinauf so bang.
 
Kein Stern von oben
Blickt niederwärts,
Glanzlos der Himmel,
Dunkel mein Herz.
 
Mein Herz und der Himmel
Hat gleiche Not,
Sein Glanz ist erloschen,
Mein Lieb ist tot.
Peter Cornelius  

 

Himmelstrauer            
Am Himmelsantlitz wandelt ein Gedanke,
Die düstre Wolke dort, so bang, so schwer;
Wie auf dem Lager sich der Seelenkranke,
Wirft sich der Strauch im Winde hin und her.
 
Vom Himmel tönt ein schwermutmattes Grollen,
Die dunkle Wimper blinzet manches Mal,
So blinzen Augen, wenn sie weinen wollen, -
Und aus der Wimper zuckt ein schwacher Strahl. -
 
Nun schleichen aus dem Moore kühle Schauer
Und leise Nebel übers Heideland;
Der Himmel ließ, nachsinnend seiner Trauer,
Die Sonne lässig fallen aus der Hand.
Nikolaus Lenau (1802 - 1850)   
 

Ballade des äußeren Lebens
Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen,
Die von nichts wissen, wachsen auf und sterben,
Und alle Menschen gehen ihre Wege.
 
Und süße Früchte werden aus den herben
Und fallen nachts wie tote Vögel nieder
Und liegen wenig Tage und verderben.
 
Und immer weht der Wind, und immer wieder
Vernehmen wir und reden viele Worte
Und spüren Lust und Müdigkeit der Glieder.
 
Und Straßen laufen durch das Gras, und Orte
Sind da und dort, voll Fackeln, Bäumen, Teichen,
Und drohende, und totenhaft verdorrte...
 
Wozu sind diese aufgebaut? und gleichen
Einander nie? und sind unzählig viele?
Was wechselt Lachen, Weinen und Erbleichen?
 
Was frommt das alles uns und diese Spiele,
Die wir doch groß und ewig einsam sind
Und wandernd nimmer suchen irgend Ziele?
 
Was frommts, dergleichen viel gesehen haben?
Und dennoch sagt der viel, der "Abend" sagt,
Ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt
 
Wie schwerer Honig aus den hohlen Waben.
Hugo von Hofmannsthal 
 

 

Mein Herz, mein Herz ist traurig,
Doch lustig leuchtet der Mai;
Ich stehe, gelehnt an der Linde,
Hoch auf der alten Bastei.
 
Da drunten fließt der blaue
Stadtgraben in stiller Ruh;
Ein Knabe fährt im Kahne,
Und angelt und pfeift dazu.
 
Jenseits erheben sich freundlich,
In winziger, bunter Gestalt,
Lusthäuser, und Gärten, und Menschen,
Und Ochsen, und Wiesen, und Wald.
 
Die Mägde bleichen Wäsche,
Und springen im Gras herum;
Das Mühlrad stäubt Diamanten,
Ich höre sein fernes Gesumm.
 
Am alten grauen Turme
Ein Schilderhäuschen steht;
Ein rotgeröckter Bursche
Dort auf und nieder geht.
 
Er spielt mit seiner Flinte,
Die funkelt im Sonnenrot,
Er präsentiert und schultert -
Ich wollt, er schösse mich tot.
Heinrich Heine 
 
   

Lethe
Jüngst im Traume sah ich auf den Fluten
Einen Nachen ohne Ruder ziehn,
Strom und Himmel stand in matten Gluten
Wie bei Tages Nahen oder Fliehn.
 
Sassen Knaben drin mit Lotoskränzen,
Mädchen beugten über Bord sich schlank,
Kreisend durch die Reihe sah ich glänzen
Eine Schale, draus ein jedes trank.
 
Jetzt erscholl ein Lied voll süsser Wehmut,
Das die Schar der Kranzgenossen sang -
Ich erkannte deines Nackens Demut,
Deine Stimme, die den Chor durchdrang.
 
In die Welle taucht ich. Bis zum Marke
Schaudert ich, wie seltsam kühl sie war.
Ich erreicht' die leise ziehnde Barke,
Drängte mich in die geweihte Schar.
 
Und die Reihe war an dir zu trinken,
Und die volle Schale hobest du,
Sprachst zu mir mit trautem Augenwinken:
"Herz, ich trinke dir Vergessen zu!"
 
Dir entriss in trotzgem Liebesdrange
Ich die Schale, warf sie in die Flut,
Sie versank, und siehe, deine Wange
Färbte sich mit einem Schein von Blut.
 
Flehend küsst ich dich in wildem Harme,
Die den bleichen Mund mir willig bot,
Da zerrannst du lächelnd mir im Arme
Und ich wusst es wieder - du bist tot.
 
C.F. Meyer 

 

Weil du nicht da bist         
Weil du nicht da bist, sitze ich und schreibe
All meine Einsamkeit auf dies Papier.
Ein Fliederzweig schlägt an die Fensterscheibe.
Die Maiennacht ruft laut. Doch nicht nach mir.
 
Weil du nicht bist, ist der Bäume Blühen,
Der Rosen Duft vergebliches Bemühen,
Der Nachtigallen Liebesmelodie
Nur in Musik gesetzte Ironie.
 
Weil du nicht da bist, flücht ich mich ins Dunkel.
Aus fremden Augen starrt die Stadt mich an
Mit grellem Licht und lärmendem Gefunkel,
Dem ich nicht folgen, nicht entgehen kann.
 
Hier unterm Dach sitz ich beim Lampenschirm;
Den Herbst im Herzen, Winter im Gemüt.
November singt in mir sein graues Lied.
»Weil du nicht da bist« flüstert es im Zimmer.
 
»Weil du nicht da bist« rufen Wand und Schränke,
Verstaubte Noten über dem Klavier.
Und wenn ich endlich nicht mehr an dich denke,
Die Dinge um mich reden nur von dir.
 
Weil du nicht da bist, blättre ich in Briefen
Und weck vergilbte Träume, die schon schliefen.
Mein Lachen, Liebster, ist dir nachgereist.
Weil du nicht da bist, ist mein Herz verwaist.
Mascha Kaleko  
 

Sprich aus der Ferne
   Heimliche Welt,
   Die sich so gerne
   Zu mir gesellt!
 
Wenn das Abendrot niedergesunken,
Keine freudige Farbe mehr spricht,
Und die Kränze still leuchtender Funken
Die Nacht um die schattichte Stirne flicht:
 
   Wehet der Sterne
   Heiliger Sinn
   Leis durch die Ferne
   Bis zu mir hin.
 
Wenn des Mondes still lindernde Tränen
Lösen die Nächte verborgenes Weh;
Dann wehet Friede. In goldenen Kähnen
Schiffen die Geister im himmlischen See.
 
   Glänzende Lieder
   Klingender Lauf
   Ringelt sich nieder,
   Wallet hinauf.
 
Wenn der Mitternacht heiliges Grauen
Bang durch die dunklen Wälder hinschleicht
Und die Büsche gar wundersam schauen,
Alles sich finster, tiefsinnig bezeugt:
 
   Wandelt im Dunkeln
   Freundliches Spiel,
   Still Lichter funkeln,
   Schimmerndes Ziel,
 
Alles ist freundlich wohlwollend verbunden,
Bietet sich tröstend und trauernd die Hand,
Sind durch die Nächte die Lichter gewunden,
Alles ist ewig im Innern verwandt.
 
   Sprich aus der Ferne,
   Heimliche Welt,
   Die sich so gerne
   Zu mir gesellt.
Clemens Brentano 
 

Grodek
Am Abend tönen die herbstlichen Wälder
 Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen
 Und blaue Seen, darüber die Sonne
 Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht
 Sterbende Krieger, die wilde Klage
 Ihrer zerbrochenen Münder.
 Doch stille sammelt im Weidengrund
 Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt
 Das vergossne Blut sich, mondne Kühle;
 Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.
 Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen
 Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,
 Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;
 Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.
 O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre
 Die heiße Flamme des Geistes nähert heute ein gewaltiger Schmerz,
 Die ungebornen Enkel.
Georg Trakl               

 

An den Tod
Halb aus dem Schlummer erwacht,
den ich traumlos getrunken,
Ach, wie war ich versunken
In die unendliche Nacht!
 
Tiefes Verdämmern des Seins,
Denkend nichts, noch empfindend!
Nichtig mir selber entschwindend,
Schatte mit Schatten zu eins!
 
Da beschlich mich so bang,
Ob auch, den Bruder verdrängend,  
Geist mir und Sinne verengend,
Listig der Tod mich umschlang

Schaudernd dacht ichs, und fuhr
Auf, und schloss mich ans Leben,
Drängte in glühndem Erheben
Kühn mich an Gott und Natur.
 
Siehe, da hab ich gelebt:
Was sonst, zu Tropfen zerflossen,
Langsam und karg sich ergossen,
Hat mich auf einmal durchbebt
 
Oft noch berühre du mich,
Tod, wenn ich in mir zerrinne,
Bis ich mich wieder gewinne
Durch den Gedanken an dich!
Friedrich Hebbel


 

Der Tod das ist die kühle Nacht
Der Tod das ist die kühle Nacht,
Das Leben ist der schwüle Tag.
Es dunkelt schon, mich schläfert,
Der Tag hat mich müd gemacht.
 
Über mein Bett erhebt sich ein Baum,
Drin singt die junge Nachtigall;
Sie singt von lauter Liebe,
Ich hör es sogar im Traum.
Heinrich Heine 
 

Tod der Armen          
Es ist der Tod, der Trost und Leben schenkt;
Er ist das Ziel, das einzig Hoffnung macht,
Ein Elixier, das uns berauschend tränkt,
Und Mut gibt, durchzuhalten bis zur Nacht,
 
Durch Sturm und Schnee ist er das schwache Licht,
Für uns am dunklen Horizont entzündet;
Ist jene Bleibe, die das Buch verspricht,
wo man zur Rast ein Mahl und Schlummer findet,
 
Ein Engel, dessen Finger lockend zeigen
Den Schlaf und Träume, die uns übersteigen;
Armen und Nackten er ein Bett bereitet;
 
Der Götter Ruhm, der Speicher, der nie leer,
Der Armen Beutel, Heimat von jeher,
Das Tor, das uns zu fremden Himmeln leitet!
Charles Baudelaire     
 
 
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Schlußstück
Der Tod ist groß
Wir sind die Seinen,
Lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen
Wagt er zu weinen
Mitten in uns.
Rainer Maria Rilke

 

Über einem Grabe
Blüten schweben über deinem Grabe.
Schnell umarmte dich der Tod, o Knabe,
Den wir alle liebten, die dich kannten,
Dessen Augen wie zwei Sonnen brannten,
Dessen Blicke Seelen unterjochten,
Dessen Pulse stark und feurig pochten,
Dessen Worte schon die Herzen lenkten,
Den wir weinend gestern hier versenkten.
 
Maiennacht. Der Sterne mildes Schweigen...
Dort! ich seh es aus der Erde steigen!
Unterm Rasen quillt hervor es leise,
Flatterflammen drehen sich im Kreise,
Ungelebtes Leben zuckt und lodert
Aus der Körperkraft, die hier vermodert,
Abgemähter Jugend letztes Walten
Letzte Glut verrauscht in Wunschgestalten,
 
Eine blasse Jagd:
                             Voran ein Zecher,
In der Faust den überfüllten Becher!
Wehnde Locken will der Buhle fassen,
Die entflatternd nicht sich haschen lassen,
Lustgestachelt rast er hinter jenen,
Ein verhülltes Mädchen folgt in Tränen.
 
Durch die Brandung mit verstürmten Haaren
Seh ich einen kühnen Schiffer fahren.
Einen jungen Krieger seh ich toben,
Helmbedeckt, das lichte Schwert erhoben.
Einer stürzt sich auf die Rednerbühne,
Weites Volksgetos beherrscht der Kühne.
Ein Gedräng, ein Kämpfen, Ringen, Streben!
Arme strecken sich und Kränze schweben -
 
Kränze, wenn du lebtest, dir beschieden,
Nicht erreichte!
 Knabe, schlaf in Frieden!
C.F. Meyer


 

Resignation.                    
Auch ich war in Arkadien geboren,
   Auch mir hat die Natur
An meiner Wiege Freude zugeschworen;
Auch ich war in Arkadien geboren,
   Doch Tränen gab der kurze Lenz mir nur.
 
Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder;
   Mir hat er abgeblüht.
Der stille Gott - o weinet, meine Brüder -
Der stille Gott taucht meine Fackel nieder,
   Und die Erscheinung flieht.
 
Da steh ich schon auf deiner finstern Brücke,
   Furchtbare Ewigkeit.
Empfange meinen Vollmachtbrief zum Glücke!
Ich bring ihn unerbrochen dir zurücke,
   Ich weiß nichts von Glückseligkeit.
 
Vor deinem Thron erheb ich meine Klage,
   Verhüllte Richterin.
Auf jenem Stern ging eine frohe Sage,
Du thronest hier mit des Gerichtes Wage
   Und nennest dich Vergelterin.
 
Hier, spricht man, warten Schrecken auf den Bösen
   Und Freuden auf den Redlichen.
Des Herzens Krümmen werdest du entblößen,
Der Vorsicht Rätsel werdest du mir lösen
   Und Rechnung halten mit dem Leidenden.
 
Hier öffne sich die Heimat dem Verbannten,
   Hier endige des Dulders Dornenbahn.
Ein Götterkind, das sie mir Wahrheit nannten,
Die Meisten flohen, Wenige nur kannten,
   Hielt meines Lebens raschen Zügel an.
 
»Ich zahle dir in einem andern Leben,
   Gib deine Jugend mir!
Nichts kann ich dir als diese Weisung geben.« -
Ich nahm die Weisung auf das andre Leben,
   Und meiner Jugend Freuden gab ich ihr.
 
»Gib mir das Weib, so teuer deinem Herzen,
   Gib deine Laura mir!
Jenseits der Gräber wuchern deine Schmerzen.« -
Ich riß sie blutend aus dem wunden Herzen
   Und weinte laut und gab sie ihr.
 
»Die Schuldverschreibung lautet an die Toten,«
   Hohnlächelte die Welt;
»Die Lügnerin, gedungen von Despoten,
Hat für die Wahrheit Schatten dir geboten,
   Du bist nicht mehr, wenn dieser Schein verfällt.«
 
Frech witzelte das Schlangenheer der Spötter:
   »Vor einem Wahn, den nur Verjährung weiht,
Erzitterst du? Was sollen deine Götter,
Des kranken Weltplans schlau erdachte Retter,
   Die Menschenwitz des Menschen Notdurft leiht?
 
Was heißt die Zukunft, die uns Gräber decken,
   Die Ewigkeit, mit der du eitel prangst?
Ehrwürdig nur, weil Hüllen sie verstecken,
Der Riesenschatten unsrer eignen Schrecken
   Im hohlen Spiegel der Gewissensangst.
 
Ein Lügenbild lebendiger Gestalten,
   Die Mumie der Zeit,
Vom Balsamgeist der Hoffnung in den kalten
Behausungen des Grabes hingehalten,
   Das nennt dein Fieberwahn Unsterblichkeit?
 
Für Hoffnungen - Verwesung straft sie Lügen -
   Gabst du gewisse Güter hin?
Sechstausend Jahre hat der Tod geschwiegen,
Kam je ein Leichnam aus der Gruft gestiegen,
   Der Meldung tat von der Vergelterin?« -
 
Ich sah die Zeit nach deinen Uhren fliegen,
   Die blühende Natur
Blieb hinter ihr, ein welker Leichnam, liegen,
Kein Toter kam aus seiner Gruft gestiegen,
   Und fest vertraut ich auf den Götterschwur.
 
All meine Freuden hab ich dir geschlachtet,
   Jetzt werf ich mich vor deinen Richterthron.
Der Menge Spott hab ich beherzt verachtet,
Nur deine Güte hab ich groß geachtet,
   Vergelterin, ich fordre meinen Lohn.
 
»Mit gleicher Liebe lieb ich meine Kinder!«
   Rief unsichtbar ein Genius.
»Zwei Blumen,« rief er, »hört es, Menschenkinder,
Zwei Blumen blühen für den weisen Finder,
   Sie heißen Hoffnung und Genuß.
 
Wer dieser Blumen eine brach, begehre
   Die andre Schwester nicht.
Genieße, wer nicht glauben kann. Die Lehre
Ist ewig, wie die Welt. Wer glauben kann, entbehre!
   Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.
 
Du hast gehofft, dein Lohn ist abgetragen,
   Dein Glaube war dein zugewognes Glück.
Du konntest deine Weisen fragen,
Was man von der Minute ausgeschlagen,
   Gibt keine Ewigkeit zurück.«
 

Schiller               

 

Klage       
Schlaf und Tod, die düstern Adler
Umrauschen nachtlang dieses Haupt:
Des Menschen goldnes Bildnis
Verschlänge die eisige Woge
Der Ewigkeit. An schaurigen Riffen
Zerschellt der purpurne Leib
Und es klagt die dunkle Stimme
Über dem Meer.
Schwester stürmischer Schwermut
Sieh ein ängstlicher Kahn versinkt
Unter Sternen,
Dem schweigenden Antlitz der Nacht.
Georg Trakl

 

Doch heimlich dürsten wir ...
Anmutig, geistig, arabeskenzart
Scheint unser Leben sich wie das von Feen
In sanften Tänzen um das Nichts zu drehen,
Dem wir geopfert Sein und Gegenwart.
 
Schönheit der Träume, holde Spielerei,
So hingehaucht, so reinlich abgestimmt,
Tief unter deiner heiteren Fläche glimmt
Sehnsucht nach Nacht, nach Blut, nach Barbarei.
 
Im Leeren dreht sich , ohne Zwang und Not,
Frei unser Leben, stets zum Spiel bereit,
Doch heimlich dürsten wir nach Wirklichkeit,
Nach Zeugung und Geburt, nach Leid und Tod.
 
Hermann Hesse

 

Ebenbild unsers Lebens
Der Mensch, das Spiel der Zeit, spielt, weil er allhie lebt,
Im Schauplatz dieser Welt, er sitzt und doch nicht feste.
Der steigt und jener fällt, der suchet die Paläste
Und der ein schlechtes Dach, der herrscht und jener webt.
 
Was gestern war, ist hin, was itzt das Glück erhebt,
Wird morgen untergehn. Die vorhin grüne Äste
Sind nunmehr dürr und tot. Wir Armen sind nur Gäste,
Ob den' ein scharfes Schwert an zarter Seide schwebt.
 
Wir sind zwar gleich an Fleisch, doch nicht von gleichem Stande
Der trägt ein Purpurkleid und jener gräbt im Sande,
Bis nach entraubtem Schmuck der Tod uns gleiche macht.
 
Spielt denn dies ernste Spiel, weil es die Zeit noch leidet,
Und lernt, daß, wenn man vom Bankett des Lebens scheidet,
Kron, Weisheit, Stärk und Gut sei ein geborgter Pracht.
Andreas Gryphius       
 

Dunkles zu sagen
Wie Orpheus spiel ich
auf den Saiten des Lebens den Tod
und in die Schönheit der Erde
und deiner Augen, die den Himmel verwalten,
weiß ich nur Dunkles zu sagen.
 
Vergiß nicht, daß auch du, plötzlich,
an jenem Morgen, als dein Lager
noch naß war von Tau und die Nelke
an deinem Herzen schlief,
den dunklen Fluß sahst,
der an dir vorbeizog.
 
Die Saite des Schweigens
gespannt auf die Welle von Blut,
griff ich dein tönendes Herz.
Verwandelt ward deine Locke
ins Schattenhaar der Nacht,
der Finsternis schwarze Flocken
beschneiten dein Antlitz.
 
Und ich gehör dir nicht zu.
Beide klagen wir nun.
 
Aber wie Orpheus weiß ich
auf der Seite des Todes das Leben
und mir blaut
dein für immer geschlossenes Aug.
Ingeborg Bachmann

 

Strömung         
So weit im Leben und so nah am Tod,
daß ich mit niemand darum rechten kann,
reiß ich mir von der Erde meinen Teil;
 
dem stillen Ozean stoß ich den grünen Keil
mitten ins Herz und schwemm mich selber an.
 
Zinnvögel steigen auf und Zimtgeruch!
Mit meinem Mörder Zeit bin ich allein.
In Rausch und Bläue puppen wir uns ein.
Ingeborg Bachmann 

 

Aus!        
Ob jeder Freude seh ich schweben
Den Geier bald, der sie bedroht.
Was ich geliebt, gesucht im Leben,
Es ist verloren, oder tot.
 
Fortriß der Tod in seinem Grimme
Von meinem Glück die letzte Spur:
Das Menschenherz hat keine Stimme
Im finstern Rate der Natur.
 
Ich will nicht länger töricht haschen
Nach trüber Fluten hellem Schaum,
Hab aus den Augen mir gewaschen
Mit Trängen scharf den letzten Traum.
Nikolaus Lenau  

 

An sich selbst                
Mir grauet vor mir selbst; mir zittern alle Glieder,
Wenn ich die Lipp und Nas und beider Augen Kluft,
Die blind vom Wachen sind, des Atems schwere Luft
Betracht und die nun schon erstorbnen Augen-Lider.
 
Die Zunge, schwarz vom Brand, fällt mit den Worten nieder
Und lallt ich weiß nicht was; die müde Seele ruft
Dem großen Tröster zu; das Fleisch ruft nach der Gruft;
Die Ärzte lassen mich; die Schmerzen kommen wieder.
 
Mein Körper ist nicht mehr als Adern, Fell und Bein.
Das Sitzen ist mein Tod, das Liegen meine Pein.
Die Schenkel haben selbst nun Träger wohl vonnöten.
 
Was ist der hohe Ruhm, und Jugend, Ehr und Kunst?
Wenn diese Stunde kommt, wird alles Rauch und Dunst,
Und eine Not muß uns mit allem Vorsatz töten.
Andreas Gryphius

 

Todesfuge.
Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne und er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor lässt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz
 
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
 
Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr anderen singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf
 
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen
 
Er ruft spielt süsser den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng
 
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland
 
dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith

 

Patrouille
Die Steine feinden
Fenster grinst Verrat
Äste würgen
Berge Sträucher blättern raschlig
Gellen
Tod.
 
August Stramm 

 

Der Löwe und die Maus
Bei eines Löwen grauser Mörderpfote
Kroch eine Maus, nicht ahnend die Gefahr,
Ans Tageslicht, bedeckt mit Schlamm und Kothe.
Erstaunt, daß eine Maus die Erde nur gebar,
Fragt sie der Löw': "Sollt' ich zum Mittagsmahl dich speisen?
Nein, armes Tier! Zu mager und zu klein
Bist du; kaum würdest du dem Magen fühlbar sein.
Das Leben schenk ich dir. Frei magst du weiter reisen!
Die Katze nur führt mit den Mäusen Krieg;
Zu niedrig ist dem Löwen so ein Sieg."
Die Maus geht weg, von Dankbarkeit durchdrungen.
Verloren, wie ein weises Sprüchwort spricht,
Ist oft schon hier die kleinste Wohltat nicht.
Sie zu erwiedern war auch uns'rer Maus gelungen.
"Was sagst du, Dichter?" fällt mir hier ein Leser ein;
"Kann eine Maus wohl auch dem Löwen nützlich sein?
Was unwahrscheinlich ist, sind doch nicht immer Lügen;
Der Wahrheit Lichtglanz strahlt oft aus der Fabel Zügen;
Beweis davon soll dieser Vorfall sein.
Der Löw' verirrte sich in einen düstern Hain,
Und plötzlich war er in ein Garn, mit Laub bedeckt, gefallen.
Von seinem Klaggebrüll ließ er die Flur erschallen;
Die Maus war in der Näh und eilt auf das Geschrei,
Der Wohltat eingedenk, gleich zu dem Netz herbei.
Gefangen sieht sie da der Tiere König liegen;
Den Waldbewohnern macht sein tiefer Fall Vergnügen.
Was tat die kleine Maus? Sie fängt mit scharfem Zahn
Die Stricke wacker zu benagen an.
Ein Knoten reißt entzwei; der Löw' mit Kopf und Pfote
Dringt durch, entflieht dem Tod, der in der Näh ihm drohte.
Verachte Niemand, er sei noch so schwach und klein;
Im Notfall kann er einst als Freund dir nützlich sein.